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SPIEGELONLINE
02. September 2010, 15.07 Uhr
Gewaltverbrechen
Thies`` letzter Weg
von Julia Jüttner, Kassel
ohne Fotostrecke
Thies F. fiel einem brutalen Gewaltverbrechen zum Opfer.
Ein Ehepaar hielt ihn wie einen Sklaven, quälte den 29-Jährigen zu Tode.
Seiner Mutter fehlte das Geld für ein Überführung ihres Sohnes in ihren Heimatort -
dank Spenden von SPIEGEL-ONLINE-Lesern konnte diese jetzt nachgeholt werden.
Blau. Wann sah Thies zum letzten Mal diese Farbe, seine Lieblingsfarbe?
Ein Stück blauen Himmel, einen See mit klarem blauen Wasser, eine blaue
Hibiskusblüte in einer Hecke?
Helga F. wird es nie erfahren. Thies wurde ermordet.
Seine Mutter kennt die Fakten seiner von unvorstellbarer Brutalität
geprägten letzten Lebensminuten - doch wie groß Thies" Angst war,
bevor er starb, welche Schmerzen er aushalten musste, ob er nach ihr rief
- diese Fragen werden werden sie wohl nie wieder loslassen.
Für die Trauerfeier hat Helga F. Blumen in seiner Lieblingsfarbe ausgesucht.
Die 57-Jährige steht in der kleinen Friedhofskapelle in Weimar im Landkreis Kassel
vor dem in leuchtendem Blau gestrichenen Sarg. Sie kann jetzt Abschied nehmen.
Sieben Jahre nach Thies" Tod.
Das Ehepaar H., Werner und Manuela, hatte Thies" Bekanntschaft gesucht,
nachdem der von zu Hause ausgezogen war.
Der geistig behinderte junge Mann wollte damals eigenständiger leben,
so weit wie möglich auf eigenen Beinen stehen. Die H.s machten sich an
Thies heran, um an seine Sozialhilfe zu gelangen. Zehn Monate hielten sie
ihn wie einen Sklaven, schickten ihn auf den Strich, wenn das Geld alle war.
Thies wurde misshandelt, gedemütigt.
Nach einer besonders brutalen Attacke durch Werner H. starb Thies, damals 29 Jahre alt,
seine Leiche warf das Paar am 8.Juli 2OO3 an einem Rastplatz
nahe Eisenach aus dem Auto.
Erst am 13.Dezember 2005 erfuhr Helga F. vom Tod ihres Sohnes, den sie als
vermisst gemeldet hatte. Nahezu drei lange Jahre hatte sie gehofft, er würde unversehrt
auftauchen, dass es für sein Verschwinden eine Erklärung ergeben würde.
Die Identität des Toten, den man an der Raststätte gefunden hatte,
blieb lange ein Rätsel. Die Gemeinde Krauthausen im thüringischen
Wartburgkreis ließ den Fremden anonym bestatten.
"Unbekannte männliche Person - aufgefunden in einem Waldstück bei Lengröden"
stand auf dem Grabstein.
Helga F. steht vor Thies" Sarg. Sie ist traurig und glücklich zugleich.
Erst als eine Mitwisserin des Verbrechens zur Polizei ging, kamen die
Ermittlungen in Gang. Thies" Leiche konnte identifiziert werden.
Helga F. hatte jedoch kein Geld, um ihren Sohn umbetten zu lassen.
Berichte über Thies" qualvollen Tod bewegten SPIEGEL- ONLINE-Leser,
sie spendeten insgesamt 6800 Euro, die treuhänderisch verwaltet werden.
Genügend Geld für die Überführung des Leichnams von Thüringen nach Kassel,
eine würdige Bestattung, die Grabpflege.
Helga F. steht vor Thies" Sarg. Er kommt ihr zu groß vor. Sie ist aufgeregt, traurig
und glücklich zugleich. Im tristen Nieselregen folgt sie den fünf Sargträgern und dem
Pastor zur Grabstelle, die sie ausgewählt hat.
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"Durch ein Gewaltverbrechen wurde Thies brutal aus dem Leben gerissen", sagt
Pastor Harald Götte und liest aus dem 139.Psalm. "Führe ich gen Himmel, so
bist du da", heißt es dort, "bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist du auch da" heißt es dort,"bettete ich
mich in die Hölle, siehe, so bist du auch da."
Pfarrer Götte lernte Thies vor zwölf
Jahren kennen. Der Kontakt hielt, obwohl die Familie aus dem Ort wegzog. Götte war es auch, der
Helga F. zum Fundort der Leiche nach Eisenach begleitete, und an
Thies's anonymes Grab in Krauthausen.
Das Dorf Weimar in Hessen, auf dessen Friedhof Thies nun beigesetzt
wird, liegt eingebettet in grüne Hügel. Helga F. sagt, sie sei überzeugt, dass es Thies hier gefallen würde.
Liebenswert, hilfsbereit,nachgiebig -
es war leicht, Thies auszunutzen
Bevor der Sarg an dicken Kordeln in die Tiefe gelassen wird,stellt Helga F. ein Porträt ihres Sohnes auf, eingefasst in einen schweren Goldrahmen. Thies' Lieblingslied "Ich häng an dir" von Schulze erklingt.
Seine Mutter verabschiedet sich mit
einem kleinen Blumensträußchen,
einem roten Plüschherz und einen
Handkuss. Einen letzten Brief hat sie
Thies in den Sarg gelegt.
Die Sozialpädagogin Marion Lamm-Dietrich ist zur Beerdigung gekommen und Willi Stiel, beide
gründeten in Kassel das Cafe' Brückenschlag. Dort arbeitete Thies
drei Jahre lang als Küchenhilfe, ein
Job, der ihm Freude bereitete, ihn stolz machte, der ihm Halt gab. Das
Cafe' wurde mittlerweile geschlossen.
Die Sozialpädagogen erinnern sich an
Thies an einen liebenswerten, hilfsbereiten Menschen, friedfertig
und nachgiebig. Nie gab es Widerworte, jeder Bitte kam er sofort nach. Es ist leicht, einen wie ihn auszunutzen.
Thies' Beziehung zu seiner Mutter
beschreiben Lamm-Dietrich und Stiel
als symbiotisch. Seine Peiniger - so berichten es Zeugen vor Gericht -setzen ihn damals auch mit der Drohung unter Druck, sie würden seiner Mutter etwas antun, sollte er
nicht parieren.
Als sie den schwerverletzten Thies ins
Auto bugsierten, um ihn am Rand der
B7 wegzuwerfen wie Müll, täuschten sie ihm vor, ihn zu seiner Mutter bringen zu wollen. Thies mobilisierte seine letzten Kräfte. Er wollte zu "Mama".
Zu den Trauergästen gehört auch die
Sozialpädagogin Silke Emde. Sie arbeitet in der Kasseler Hilfe, einer Beratungsstelle für Opfer und Zeugen von Straftaten und Gewalt. Am 1.November 2006 suchte Helga F. bei ihr Rat. Emde stand ihr und der Familie auch während des Prozesses gegen das Ehepaar H. bei."Der äußere Prozess ist auch immer ein innerer und dient der Heilung", sagt Emde. In den vergangenen vier Jahren ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den beiden Frauen entstanden.
"Werner H. hat noch zehn Jahre abzusitzen"
Drei
Kilometer Luftlinie von Helga
F.s Wohnung entfernt ist Thies nun beerdigt.
"Das fühlt sich unglaublich gut an" sagt sie. An ihrem Ritual, sich aller drei Monate von ihrer Tochter Diana an den Rastplatz in Thüringen fahren zu lassen, wo Thies' Leiche gefunden wurde, will sie festhalten. Die kleine Gedenkstätte mit dem Holzkreuz soll erhalten bleiben und gepflegt werden.
Das Paar, das Thies auf dem Gewissen hat, wurde zunächst wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Mordes durch Unterlassen zu Haftstrafen von vier bzw. acht Jahren verurteilt. Thies' Mutter zog vor den Bundesgerichtshof (BGH), das Urteil wurde aufgehoben. Im zweiten Prozess verurteilte die Schwurgerichtskammer Werner H. wegen Mordes zu lebenslanger Haft.
"Werner H. hat demnach noch zehn Jahre abzusitzen", sagt Rechtsanwalt Bernd Pfläging, der Helga F. in den letzen Jahren juristisch vertreten hat. Auch er erweist Thies die letzte Ehre auf dem kleinen Dorffriedhof.
In einem Jahr wird ein schwarzer Stein das Grab zieren. Helga F. hat ihn bereits ausgesucht und anfertigen lassen. Neben Thies' Namen und den Geburts- und Sterbedaten ist eine Rose eingraviert. Eine Rose hat Helga F. vor der Trauerfeier in den Sarg legen lassen. Eine Rose ist blau.
URL:
http://www. spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,715182,00.html
Super geschildert -sehr gelungen, Frau Jüttner.